Vivienne Chows Briefe aus Berlin: Grün ist die Farbe Berlins
Die Hongkonger Journalistin Vivienne Chow dokumentiert mit ihren Briefen aus Berlin ihre mehrmonatige Recherchereise durch die Kunst- und Kulturszene der deutschen Hauptstadt. Neue Briefe erscheinen wöchentlich im Magazin.
Grün ist eine meiner liebsten Farben. Sie steht für Leben, Vitalität und Natur. Sie ist außerdem einer der Gründe dafür, dass Berlin solch eine charmante Stadt ist.
Berlin ist berühmt für seine Geschichte und seine pulsierende Kunst- und Kulturszene, die immer noch eine wichtige Quelle für meine Inspiration ist. Jedoch ist es die grüne Natur der Stadt, die mich beruhigt und meine Seele nährt. Hier in Berlin habe ich den Luxus, jederzeit in einem Park spazieren zu gehen, oder den Fluss entlang zu schlendern, oder an einem See zu Picknicken - was mir ermöglicht, eine temporäre Pause vom geschäftigen Treiben der Stadt zu genießen.
Solche grünen Erlebnisse, die heutzutage den etwa 3,7 Millionen Berlinern geboten werden, werden tatsächlich seit 150 Jahren sorgfältig geplant. Kurz nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 wurde ein Landschaftsgestaltungsprogramm ins Leben gerufen um die Natur und die Grünflachen innerhalb der Stadt zu erhalten. Heute gibt es in Berlin mehr als 2500 öffentliche Parks mit einer Gesamtfläche von ungefähr 6500 Hektar, mehr als 433.000 Bäume säumen die Straßen, es gibt mehr als 30 Seen und die Spree, die quer durch die Stadt fließt. Berichten zufolge sind 46 Prozent von Berlin entweder Grünfläche oder Wasser.
© green-in-Berlin.de
Zusätzlich zu den Grünflächen ist die Traufhöhe ein weiterer Grund, der Berlin zu einer lebenswerten Stadt macht. Die Traufhöhe ist ein Limit, welches die Breite von Straßen auf 22 Meter und die Höhe von Gebäuden auf 22 Meter über der Straße einschränkt. Eine Begrenzung, die in den frühen 1860gern eingeführt wurde, als Berlin noch unter der Herrschaft des Preußischen Reichs stand. Die Begrenzungen wurden wegen Sicherheitsbedenken implementiert, um es den Feuerwehrleuten möglich zu machen Leute, die im obersten Stock lebten, zu retten, da dies die Höhe wahr, die die gewöhnlichen Leitern damals erreichen konnten.
Aber es hat sich erwiesen, dass die Traufhöhe auch dabei geholfen hat die Berliner Umwelt zu schützen. Wenn man die Straßen Berlins hinunterschlendert, kann man den schönen Sonnenschein genießen und dank der niedrigen Bauhöhe den endlosen blauen Himmel bewundern. Die Traufhöhe hält außerdem die Entwicklung der Stadt in Grenzen, solche Restriktionen hindern Berlin an der Überentwicklung, ein starker Kontrast zu der typischen Mentalität in Hong Kong, wo Diskussionen über sogenannte Entwicklungen und umstrittene Vorschläge, Raum für mehr Wohnungen in Parks zu schaffen, in den letzten Jahren Schlagzeilen machten.
Die beste und wichtigste Entwicklung, jedoch, besteht nicht daraus mehr Wolkenkratzer zu bauen, oder ein höheres Bruttoinlandsprodukt zu erzielen, sondern ist das Erschaffen eines gesunden, nachhaltigen Lebensraum, der unseren Geist und unsere Seele nährt. Und das ist was Hong Kong von Berlin lernen sollte.
Autorin:
Vivienne Chow ist eine preisgekrönte Journalistin und Kritikerin mit den Schwerpunkten Kunst, Kultur und Kulturpolitik. Im Moment arbeitet sie als unabhängige Autorin und schreibt unter anderem für die BBC, Variety, Quartz, Artsy und South China Morning Post. 2014 gründete sie den Cultural Journalism Campus, eine gemeinnützige Initiative zur gesellschaftlichen Beteiligung junger Menschen.
Als erste Journalistin aus Hongkong erhielt sie 2018 den IJP Premium Fellowship Award des Internationalen Journalistenprogramms in Deutschland. Im Sommer 2018 hält sie sich für eine Recherchereise zum Thema Kulturpolitik mehrere Monate in Berlin auf.
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