Zu Gast bei Goethe: Video-Interview mit Wim & Donata Wenders
Der deutsche Fotograf und Filmemacher Wim Wenders und seine Frau Donata, ebenfalls Fotografin, über ihren ersten Aufenthalt in China, unterschiedliche Motive und eine Welt ohne Internet.
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- Das Interview -
© Goethe-Insitut China
Sie sind beide zum ersten Mal in China. Schon interessante Beobachtungen gemacht?
Wim:
Ich war neugierig, gerade auf Peking. Ich fahr viel Fahrrad,in Berlin
nur mit dem Fahrrad. Also ich war auch interessiert, wie bewegen sich
die Leute in Peking. Ich hab’s beobachtet und ich bin wirklich freudig
überrascht, wie eigentlich alles, was sich auf zwei Rädern bewegt, schon
elektrisch ist. Und wie das zwar wuselig aussieht, aber doch sehr
sozial ist. Wie Leute vorfahren lassen. Also auch zwischen Autofahrern
und Radfahrerngibt’s in Berlin Krieg. das ist Krieg, ist hier nicht, das
geht irgendwie alles. Und auch die Fahrer lassen die Fahrräder vor und
umgekehrt auch. Es ist alles irgendwie, es hat so ein sozialeres Gefühl.
Es ist eher ein Miteinander als so ein Gegeneinander,
Donata: Die
andere Sache, die uns überrascht oder überrascht hat, war einmal das
Alter von den Menschen, die in die Oper gehen. Wir hatten das schon
gehört, aber das zu sehen, war beeindruckend, dass das alles Menschen
sind unter 30. Und das ist bei uns grad andersherum. Es ist vielleicht
über 50. Über 60. Oder über 60, also das war ein Bild, was wir so nicht
kannten und das uns sehr überrascht hat. Auch die Bühnenarbeiter, das
ganze Verwaltungsteam, sind alles junge Leute, war toll. Und auch im
Filmarchiv jetzt, wo die Retrospektive zusammen mit dem Goethe-Institut -
also das ist ja wie eine Studentenveranstaltung - so viele junge Leute
sind interessiert sind und tolle Fragen haben, also die Q&As, die
wir hier hatten, die Fragen dieser Studenten, ich fand die auch für Wim
bereichernd.
Wim:
Das Tollste heute für mich, die größte Erfahrung, bis jetzt war die im
CAFA-Museum, die Ausstellung mit Abschlussarbeiten. Ich kenn sowas, ich
hab auch lange unterrichtet an Kunsthochschulen, gibt es immer eine,
zwei, drei gute Arbeiten und insgesamt langweilt man sich ein bisschen,
wenn man alles guckt und ich könnte, ich würde auch gerne wieder
zurückgehen, weil ich hatte ja gar keine Zeit. So viel Fantasie auf
einem Haufen hab ich noch nie gesehen und so viel begabte, hochbegabte,
wunderbar begabte, neue Künstler hab ich auch noch nie irgendwie
zusammengeführt gesehen. Wenn man mir sagen würde, das sind jetzt hier
die letzten zehn Jahre junger chinesischer Kunst, würde ich sagen, okay,
toll, aber wenn das ein Abschlussjahrgang ist, weiß ich gar nicht mehr,
was soll ich, was wir eigentlich machen. Weiß ich auch nicht mehr, es
verändert geradezu das Weltbild.
Sie haben mal gesagt, dass Sie die Welt beide anders sehen...
Wim:
Donata konzentriert sich mit ihrer Fotografie fast ausschließlich auf
Menschen. Auch sehr intim, lange Zeit mit Leuten zubringt. Und ich mit
meiner Fotografie eigentlich immer warte, bis endlich alle Leute aus dem
Bild sind, damit ich die Stadt oder die Landschaft, die Wüste oder die
Häuser möglichst alleine fotografiere. Mich interessieren die
Geschichten, die Städte und Überreste von Zivilisation und auch
Landschaften, die über uns erzählen, über uns Menschen.
Und sobald in einem Bild von mir überhaupt ein Mensch ist, Deshalb warte ich immer, bis alle weg sind.
Wir machen jetzt eine Reise gemeinsam durch China, ab morgen. Und Donata wird dann immer morgens früh losziehen auf der Suche nach den Menschen und die treffen und denen begegnen und ich werde eigentlich die Städte selbst und die Landschaften fotografieren. Und dann kommen wir abends immer zusammen und man kann sich auch manchmal ein bisschen zeigen, was man gemacht hat und dann wunder ich mich immer, wie viele Leute Donata getroffen hat. Also wir ergänzen uns ganz gut.
© Goethe-Insitut China
Alle starren nur noch auf ihre Handys...Wird echter Austausch irgendwann wieder möglich?
Donata:
Indem man wirklich mehr teilt. Und zwar nicht über Medien, sondern Auge
in Auge. Und was zu teilen, ohne dann irgendwie auf so ein Ding zu
gucken, sondern wirklich so, das ist schon, ich glaube, das ist am
interaktivsten und das hat auch Zukunft, finde ich.
Wim: Die
Stunde der Wahrheit kommt irgendwann, wenn aus irgendeinem Grund das
Internet zusammenbricht. Irgendwann passiert das mal. Plötzlich geht das
alles nicht mehr, das WeChat und das Internet, nichts mehr geht, alles
weg und dann wird es unglaublich interessant auf unserem Planeten, glaub
ich. Und dann ist das Leben wieder aufregend.
- Wim Wenders Filmretrospektive -
Wim Wenders (geb. 1945) ist als wichtiger Vorreiter des Neuen Deutschen Films der 1970er Jahre international bekannt geworden und gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen Kinos der Gegenwart. Neben vielfach preisgekrönten Spielfilmen umfasst sein Werk als Drehbuchautor, Regisseur, Produzent, Photograph und Autor auch zahlreiche innovative Dokumentarfilme, weltweite Photoausstellungen und zahlreiche Bildbände, Filmbücher und Textsammlungen. Er lebt und arbeitet zusammen mit seiner Frau Donata Wenders in Berlin.
„In weiter Ferne, so nah!“ – dieser Filmtitel aus dem Jahr 1993 beschreibt vielleicht ein wenig die Gefühle des chinesischen Filmpublikums den Filmen von Wim Wenders gegenüber. Denn auch wenn die zahlreichen Filmfans und leidenschaftlichen Bildersucher in China bisher keine Gelegenheit hatten, mit ihm in direkten Kontakt zu treten, so haben seine Werke von „Paris, Texas“ bis hin zu „Pina“ doch tiefe Spuren in den Sehgewohnheiten von Filmschaffenden und Filmliebhabern hinterlassen. Die von ihm geschaffenen Filmbilder gehen dem Publikum in ihrer Intensität sehr nahe und fügen sich mit der Wenders eigenen ruhigen Kraft zu eindrucksvollen Geschichten, die auch in China begreiflich und spürbar werden, selbst wenn sie aus anderen Welten kommen.
Im Rahmen der Wim Wenders Filmretrospektive zeigen das Goethe-Institut China und das China Film Archive in 41 Screenings insgesamt 21 Filme, um einen umfassenden Einblick in Wenders filmisches Schaffen zu geben: von Kurzfilmen über den fragenden Blick auf die Realität Westdeutschlands der 1970er Jahre, die fast archetypischen Road Movies und modernen Märchen bis hin zu seinem breiten dokumentarischen Werk, das häufig auch den kreativen Prozess, das Schaffen von Bildern ins Zentrum rückt. Mehr
- Termine -
- Adresse -
China Film Archive
Wenhuiyuan Road No. 3, Xiaoxitian, Haidian District, Beijing
Ticket: 50 - 80 RMB (via App “淘票票”)
www.cfa.gov.cn
Die Wim Wenders Filmretrospektive wurde vom Goethe-Institut China und dem China Film Archive mit Unterstützung der Wim Wenders Stiftung gemeinsam kuratiert und organisiert. Für ausführliche Informationen klicken Sie bitte „Read More“.