Comicprojekt | TYPO 六
TYPO 六
Die Zahl Sechs (六) bedeutet in der chinesischen Numerologie ''im Fluss'', ''fließend'' und ist damit das Zeichen unserer Zeit: Alles ist im Fluss, altbekannte Grenzen lösen sich auf, traditionelle Kategorien des Denkens und Handelns ergeben keinen Sinn mehr.
TYPO 六 setzt sich anlässlich der 25-jährigen Städtepartnerschaft Berlin-Peking grafisch mit dem Wort ''Mauer'' auseinander und hinterfragt in einer kommunikativen, interaktiven Praxis Vorstellungen von Originalität eines Kunstwerks.
Über das Projekt
Das Projekt TYPO 六 setzt sich anlässlich der 25-jährigen Städtepartnerschaft Berlin-Peking grafisch mit dem Wort „Mauer'' auseinander und hinterfragt dabei Vorstellungen von Originalität eines Kunstwerks. Die Grundidee ist angelehnt an xianzhang 闲章 — die „Siegel der Muße'' in der traditionellen chinesischen Kalligrafie und Tuschemalerei, mit denen sich Besitzer und Connaisseure in ein Bild einschreiben, es kommentieren und veränderen. Die Kunst ist hier eine kommunikative, interaktive Praxis; verschiedene Personen gestalten das Bild mit und tragen zum Originalwerden bei, so Byung-Chul Han in Shanzhai, Dekonstruktion auf Chinesisch.
Der Prozess
Der Vorgang des „Überschreibens“ beginnt damit, dass wir einen ersten Typografen mit dem Wort „Mauer'' und dem Schriftzeichen qiang 墙 („Mauer'') konfrontieren. Nachdem die erste Typografie erarbeitet wurde, wird die Arbeit an eine zweite Typografin weitergegeben, die das Werk digital oder analog überschreibt bzw. kommentiert und verändert. Was entsteht, ist eine Vereinnahmung und Verfremdung des Originals. In weiteren Schritten überschreiben vier weitere Typograf*innen nacheinander das Werk.
Jeder einzelne Schritt wird festgehalten, sodass der Prozess der Verfremdung und das Originalwerden Schritt für Schritt nachverfolgt werden können. Die sechs deutsch-chinesischen Typograf*innen verfassen jeweils einen kurzen schriftlichen Kommentar zum Zustand des Werkes beim Erhalt und zum Konzept der eigenen Einschreibung ins Werk.
Konzept: Silvan Hagenbrock, Roman Kierst, Li Li | © Goethe-Institut China 2019
#1 Sun Xiaoxi
Das Jahr 1989 symbolisiert den Fall der Berliner Mauer und das Ende des Kalten Krieges. Ich interessiere mich für die Konstruktion der Berliner Mauer, die aus einer Anreihung mehrerer Betonplatten bestand. Mein Entwurf begann damit, die Platten als visuelles Konzept zu extrahieren und in eine Grafik umzuwandeln. Gleichzeitig wird das chinesische Schriftzeichen für "Mauer" und das deutsche Wort eingebettet, wodurch die Wand in visuelle Bausteine verwandelt und der Text mit "Bausteinen" gefüllt wird. Mit der Arbeit ist eine starke visuelle Unterdrückung im Entstehen. Die transformierten Platten werden zu einer Einheit, die je nach Art der Wandkonstruktion kombiniert werden kann. Ich setze sie in die reale Umgebung und stelle sie gegen die reale Wand, die eine visuelle Transformation von Vergangenheit und Gegenwart darstellt - die Dekonstruktion der Bedeutung von "Wand".
Sun Xiaoxi
Was mich nach Erhalt des Auftrags am meisten interessierte, war die Textur, die wir mit Wänden assoziieren. Ich machte mich daran, verschiedene Texturen, Farben und Beispiele von Wänden in meiner Umgebung zu sammeln.
Nachdem ich Sun Xiaoxis Arbeit gesehen hatte, war es mein Ziel, sie mit den Texturen von Wänden zu kombinieren.
Carla Weindler
#3 Liu Jing
Durch das Berühren und Fühlen dieser Wände fand ich mein Gefühl wieder, das mit einem bestimmten Moment zusammenhängt. Deshalb habe ich die Textur der Wände auf das Papier mit der Reliefdrucktechnik gebracht, um die mentalen, visuellen und physischen Verbindungen zu verstärken.
#4 Reni Meyza
Die Mauer trennt ein bekanntes Hier von einem unbekannten Dort. Wenn es keine Öffnung in ihr gibt, um sie zu durchschreiten, keinen Weg über sie zu klettern, sie auf irgendeine Art zu überwinden, bleibt sie die Begrenzung unseres Horizonts. Sie bleibt der Saum unserer Welt, die Grenze der zu erlebenden Wirklichkeit. Wenn ich vor einer Mauer stehe, fühle ich mich mit ihrer Begrenzung konfrontiert – und dadurch gleichzeitig mit der Frage nach Freiheit und dem Umgang mit dieser. Eine Mauer weckt in mir den Wunsch nach Unbegrenztheit. In meiner Arbeit bin ich diesem Wunsch auf zwei Arten nachgegangen.
Zum einen bin ich auf visuelle Weise dem Handlungsimpuls gefolgt, die Grenze der Mauer durchbrechen und einreißen zu wollen. Dafür habe ich die mir zur Verfügung gestellten Strukturen der Typografie verwendet und sie verändert.
Zum anderen habe ich durch einen Perspektivwechsel den Blick über die Mauer in die Weite des Himmels geöffnet und farbig wechselnde Wolkenspiele als bewegten Kontrast zur starren Tristesse der Mauer eingesetzt. Ihre Bruchstücke bleiben nur noch schemenhaft in der Wahrnehmung.
Reni Meyza
Reni Meyza ist freischaffende visuelle Gestalterin, Konzeptionistin, Art Director und Künstlerin aus Berlin. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die visuelle Konzeption von Marken und umfasst die Gestaltung von Unternehmensprodukten, Benutzeroberflächen und Druckprodukten. Reni schloss 2016 an der Folkwang Universität der Künste ihr Studium Kommunikationsdesign mit Auszeichnung ab und studierte die Grundlagen der Psychologie. Sie hat unter anderem schon mit Eden Spiekermann, SPIEGEL ONLINE, der Deutschen Umweltstiftung, UNHCR und dem Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft zusammengearbeitet. Homepage: www.renimeyza.com
#5 He Rongkai
Ich sehe eine Ruine der Mauer, aus der eine neue Mauer entstand.
Wir wurden eingeladen, Plakate über Mauern zu gestalten. Aber können wir sagen, dass es bei allen Postern überhaupt um Mauern geht? Dies bedeutet nicht nur, dass Plakate an Mauern hängen, sondern dass jedes Plakat Wände in unseren Köpfen zerstört und aufbaut. Wenn ein visueller Gestalter neue Kommunikationswege findet, werden auf beiden Seiten dieses Pfades gleichzeitig Wände gebaut.
He Rongkai
#6 Katharina Köhler
Katharina Köhler
Mauern können nicht nur aus Ziegeln bestehen. Eine Wand kann eine Barriere, Begrenzung, Lücke, Teilung oder Grenze sein. Solange man diese Begrenzungen jedoch nicht überwindet, dreht man sich in einem unendlichen Kreis, um immer wieder dieselbe Antwort zu umkreisen. Homepage: http://www.ktell.de/
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