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1933-1952: Sinologen & Chinawissenschaftler im chinesischen Exil

M. Leutner 北京德国文化中心歌德学院
2024-09-02

Rettung, Herausforderung und Chance

Von: Prof. Mechthild Leutner

Verfolgte China-Wissenschaftler – die fehlende Generation – diese Ausstellung 2014 in Berlin thematisierte die nationalsozialistische Verfolgung von 50 Wissenschaftler*innen und Expert*innen und deren langfristige Auswirkungen auf die Chinawissenschaften in Deutschland. 20 der Verfolgten konnten nach China emigrieren. China bot den aus rassistischen und politischen Gründen verfolgten Deutschen und Österreichern die Möglichkeit, ihre Arbeit weiterzuführen oder sich weiter zu qualifizieren. Unter ihnen waren auch einige 1938/39 nach Shanghai geflüchtete junge Menschen, die erst hier China zu ihrem Beruf machten.






Das, was China als Exil attraktiv machte, waren für die meist am klassischen China Interessierten seine Gelehrten und Bibliotheken sowie die Möglichkeiten, mit chinesischen Spezialisten zusammenzuarbeiten, vor allem in Peking, bis 1937 akademisches Zentrum des Landes. Eine Herausforderung war, dass China in den 1930er Jahren politisch instabil und ab 1937 in großen Teilen japanisch besetzt war. Die wissenschaftlichen Einrichtungen waren weiterhin im Aufbau. Führende Universitäten gingen aufgrund der japanischen Besetzung ab 1937 ins unbesetzte Landesinnere und setzten dort unter schwierigen Bedingungen ihren Betrieb fort. Insbesondere ab 1937 waren in ganz China die Arbeits- und Lebensbedingungen schwierig. Doch China war bereit, Flüchtlinge aufzunehmen und verfuhr bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen und Visa großzügig. Gegenüber Emigranten und Flüchtlingen gab es weder ausländerfeindliche Aktionen noch Antisemitismus.

Der Aufenthalt in China gestaltete sich für die Einzelnen recht unterschiedlich. Die schon vor 1933 in China arbeitenden Sinologen waren bereits gut in den Wissenschaftsbetrieb integriert. Sie lehrten Deutsch und deutsche Literatur und engagierten sich als Übersetzer chinesischer Werke. Prominent war Vincenz Hundhausen, der von 1924 bis 1937 an der Peking-Universität lehrte. Der 1935 in Peking etablierten nationalsozialistischen Deutschen Gemeinde trat er nicht bei, den Aufsichtsratsposten im Deutschland-Institut legte er nieder. Auch der Kunsthistoriker Gustav Ecke, seit 1923 in China, lehrte ab 1928 Deutsch an der Pekinger Qinghua-Universität, ab 1935 an der von Steyler Missionaren geführten Furen-Universität. Er gehörte zu den Begründern der sinologischen Fachzeitschrift Monumenta Serica, die Verfolgten des NS-Regimes Publikationsmöglichkeiten bot. Seit 1927 unterrichtete der Ethnologe Diether von den Steinen in China, unter anderem in Kanton und Peking. Der österreichisch-jüdische Sinologe und Linguist Erwin Reifler war 1933 nach Shanghai emigriert, lehrte Deutsch, war ab 1943 als Professor für Linguistik tätig und wurde später in den USA ein Pionier maschineller Übersetzung. In Shanghai, später in Chongqing, arbeitete auch die Wienerin Ruth Weiss als Lehrerin und Journalistin. Die engagierte Sozialistin kehrte nach einem USA-Aufenthalt in die Volksrepublik zurück und arbeitete als Übersetzerin und Journalistin. 1999 erschien ihre Autobiographie Am Rande der Geschichte – Mein Leben in China.

Die zweite Gruppe, meist jüngere Nachwuchswissenschaftler*innen, kam ab 1933 nach China, weil sie aufgrund  ihrer jüdischen Herkunft oder ihrer anti-nationalsozialistischen Überzeugung keine beruflichen Chancen mehr in Deutschland hatten. Sie suchten sich in China weiterzuqualifizieren und Berufsmöglichkeiten zu erschließen. Einige hatten in Berlin studiert, so die bei dem Sinologen Otto Franke promovierten Hellmut Wilhelm und Wolfram Eberhard. Letzterer war wie seine Frau Alide Römer als Anthropologe ausgewiesen. Der Politik- und Rechtswissenschaftler Franz Michael und der Jurist Ernst Wolff hatten Chinesisch am Seminar für Orientalische Sprachen der Berliner Universität gelernt und Rudolf Löwenthal hatte seine Promotion in Zeitungswissenschaften ebenfalls in Berlin abgeschlossen. Der Spezialist für Sanskrit und Buddhismus Walter Liebenthal hatte in Breslau promoviert und Chinesisch in Berlin gelernt, nämlich bei dem Sinologen Walter Simon.


Während die Versuche Simons, an der Nationalbibliothek Peking 1934 einen Gastaufenthalt zu realisieren, von deutscher Seite verhindert wurden, gelang es den vorgenannten Wissenschaftlern Arbeitsmöglichkeiten in China zu finden. Dies geschah teils mit Unterstützung deutscher Stellen und mit dem Status als Austauschwissenschaftler, nicht mit dem schwierigen Status eines Emigranten. Wilhelm unterrichtete in Peking, Franz Michael wurde Dozent an der Zhejiang-Universität, Hangzhou, Löwenthal an der Yanjing-Universität, Peking, und Liebenthal arbeitete zunächst am Sino-Indian-Institute, das der Peking-Universität angegliedert war. Später unterrichtete er Sanskrit und Deutsch und ging 1938 mit der Universität nach Kunming. Für seine Forschungen zum Buddhismus stieß er hier auf neues wichtiges Material. 1936 kam auch der österreichische Ethnologe Walter Zeisberger an die Furen-Universität, wo er ab 1939 unterrichtete. Er war nach 1949 jahrzehntelang als Professor für deutsche Linguistik an der Peking-Universität tätig. Der Geologe Peter Misch lehrte zunächst an der Kantoner Universität, nach 1939, in Kunming und erschloss mit seinen Studenten als erster kartographisch und geologisch die Provinz Yunnan. Als akademische Lehrer wurden insbesondere Liebenthal, Zeisberger und Misch von ihren Kollegen und Schülern hoch geschätzt und später in ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Indologie, der Sprachforschung und Geologie in China gewürdigt.

Einige aus dieser Gruppe verließen im Zuge des japanischen Vormarsches 1937/1938 China und etablierten sich beruflich in den USA. Andere blieben während der Kriegszeit und auch danach in China, Wilhelm, Zeisberger, Löwenthal im japanisch besetzten Peking, Liebenthal und Misch im nicht besetzten Kunming. Ihnen allen war gemeinsam, dass sie integraler Bestandteil der wissenschaftlichen Netzwerke in China waren und trotz der prekären Verhältnisse weiter wissenschaftlich arbeiten konnten. Dass ihre berufliche Etablierung auf Grund der Exilbedingungen verzögert und in einigen Fällen nicht so erfolgreich wie erhofft ausfiel, ist nachvollziehbar. Keiner setzte nach Kriegsende seine Berufstätigkeit in Deutschland fort; sie gingen zumeist in die USA, wo sie, gemeinsam mit ihren direkt aus Deutschland dorthin emigrierten Kolleg*innen, erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Chinawissenschaften nahmen.

Zur dritten Gruppe gehörten Deutsche und Österreicher jüdischer Herkunft, die sich – teils ohne berufliche oder private Bezüge zu China – noch, gemeinsam mit vielen anderen, 1938 und 1939 nach China retteten. Der Chinaspezialist und Diplomat Erich Michelsen flüchtete aufgrund beruflicher Verbindungen zu chinesischen Institutionen nach seiner KZ-Inhaftierung nach Kunming. Willy Tonn, der als Privatier seine sinologisch-philosophischen Studien betrieb, fand Zuflucht in Shanghai. Der junge Hans Müller, der wegen seines Eintretens für chinesische Kommilitonen keine Aufenthaltsverlängerung in der Schweiz erhalten hatte, rettete sich nach China, ebenso wie die österreichischen Schüler und Studenten Richard Stein/Frey, Otto Schnepp und Ernst Schwarz. Sie begannen erst hier Chinesisch zu lernen und sich für China zu interessieren. Schwarz versteckte sich ab 1941 vor japanischen Übergriffen zwei Jahre in einem buddhistischen Kloster und begann sich für den Buddhismus zu interessieren. Müller und Stein/Frey gingen in die Sowjetgebiete, um als Ärzte den Kampf gegen Japan zu unterstützen. Sie blieben in China und übernahmen angesehene berufliche und politische Funktionen und setzten sich intensiv für internationale Kooperationen ein. Ebenso wie Schnepp, der 1948 weiter in die USA und Israel emigrierte. Ernst Schwarz blieb bis 1960 als Dozent in China und legte hier die Basis für seinen Erfolg als Übersetzer klassischer Werke. Tonn war es, der aufgrund seiner ausgezeichneten Chinakenntnisse ebenso wie Reifler, zu einem der führenden Intellektuellen des Shanghaier Exils wurde. Er wandte sich mit zahlreichen Beiträgen über Chinas Geschichte und Kultur an die europäischen Flüchtlinge, bot in seinem Asia Seminar ebenso wie an der Jinan-Universität Chinesischkurse an und setzte sich engagiert für den kulturellen Austausch ein.

So fungierten die etablierten und die angehenden Chinaexperten in besonderem Maße als Mittler zwischen den Kulturen. Ihre Emigration nach China bedeutete einen Verlust für die deutsche Chinawissenschaft, da ihre inhaltlichen und methodisch-theoretischen Positionen innerhalb der Disziplin nicht mehr vertreten waren. Doch für ihre eigenen Forschungen waren die Exiljahre in China, der Austausch mit und die Unterstützung durch chinesische Kollegen eine Chance, in wissenschaftlicher wie in beruflicher Hinsicht.

Autorin: Prof. Mechthild Leutner ist eine deutsche Sinologin, Historikerin und emeritierte Professorin der Freien Universität Berlin. Sie gilt als Begründerin der chinabezogenen Frauenforschung und ist Expertin für Kolonialgeschichte Deutschlands in China.

Copyright: Goethe-Institut, Mechthild Leutner. Dieser Text ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Keine Bearbeitungen 3.0 Deutschland Lizenz.




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