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Ein Eigenes Auto und Besonnenheit sind das Wichtigste

Bartosz Józefiak 北京德国文化中心歌德学院
2024-09-02

Eine Autobahn in Deutschland | Quelle: pixabay.com; Foto (Zuschnitt): Jakub Orisek

Mit 47 Millionen zugelassenen Fahrzeugen gehört Deutschland zu den am stärksten motorisierten Ländern Europas. Die Deutschen lieben ihre BMWs, Mercedes und Audis, und doch hat nur jeder hundertste deutsche Fahrer in seinem Leben mehr als einen Strafzettel erhalten. Das bedeutet jedoch nicht, dass es im deutschen Straßenverkehr keine Probleme gibt. Es gibt sie, und sie sind durchaus ernst. Es sind lediglich ganz andere als in Polen.

Von Bartosz Józefiak


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BMWs haben Marco das Leben gerettet.

Er kann sich noch gut an den Tag erinnern, an dem er DEM AUTO begegnete.

Der BMW E21 stand majestätisch auf dem Gelände des Gebrauchtwagenhändlers. Marco erinnert sich bis heute an das charakteristische, leicht gebogene Armaturenbrett. Er kaufte das Auto sofort, obwohl der Zustand alles andere als ideal war.

Fast 30 Jahre – und mehr als ein Dutzend BMWs später – ist Marco überzeugt davon, dass dies die wichtigste Anschaffung seines Lebens war.


STEIL BERGAB

Mit 17 Jahren siedelte Marco aus Dresden in die Bundesrepublik über. Seine Mutter fuhr Doppelschichten in Restaurants und Cafés, und Marco arbeitete auf Baustellen im Saarland. Dort kaufte er sich auch seinen ersten BMW. Und anderthalb Jahre später noch einen – einen besseren, neueren und teureren. Das war ein Auto, für das man einen satten Kredit aufnehmen musste. Aber das war es wert.

BMW E21 | Foto: flyz1 / wikimedia.org / CC BY-SA 3.0

Als Marco nach dem Fall der Mauer zum ersten Mal wieder nach Dresden fuhr, hinterließ sein nächster BMW, dieses Mal ein Neuwagen, bei seinen alten Bekannten einen gewaltigen Eindruck.

Anschließend sattelte Marco zum Handelsvertreter für Haushaltsgeräte um. Zum ersten Mal in seinem Leben verdiente er richtig Geld – und gab prompt alles für Partys, Frauen und Alkohol aus. Er kehrte nach Dresden zurück und eröffnete eine Sicherheitsfirma – und kam dabei in Kontakt mit allerlei zwielichtigen Gestalten.

„Es ging steil bergab mit mir“, erzählt Marco. Zu jener Zeit wurde er seinem BMW untreu und fuhr einen Ford und einen Opel. Heute sagt er, dass dies ein Fehler war. Wie so viele Dinge, die er in jener Zeit tat.

Schließlich kam er ins Gefängnis und verbüßte eine mehrjährige Haftstrafe – für Dinge, über die er heute nicht mehr reden will. Nach seiner Entlassung beschloss er, sein Leben zu ändern. Als Erstes kehrte er zu seiner alten Liebe zurück: Er kaufte sich einen BMW.

Marco eröffnete eine Autowerkstatt. Dabei hatte er nie eine Mechanikerlehre absolviert, sondern sich alles selbst beigebracht. Er kaufte alte BMWs auf, reparierte und restaurierte sie. Schon bald war er in ganz Dresden als Tuning-Experte bekannt. Inzwischen sind zwölf Jahre vergangen und Marco betreibt noch immer seine Werkstatt und einen Laden mit BMW-Ersatzteilen. Auf dem Gelände stehen 13 Modelle seiner Lieblingsautomarke. Marco hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Doch das war ihm nicht genug.


JEDER NACH SEINER FASSON

„Als ich ganz unten war, hatte ich das Gefühl, dass mir niemand half. Als ich wieder auf die Beine kam, gründete ich einen BMW-Club. Ich wollte, dass die jungen Leute sich nicht allein gelassen fühlten, dass sie sich mit etwas Sinnvollem beschäftigten, anstatt in Alkohol und Drogen zu flüchten“, erzählt er.

Marco ist Vorsitzender des Clubs, der seine besten Jahre schon hinter sich hat. Heute kommen nur noch etwa zehn Personen zu den Treffen. Doch Marco weiß, dass er mehr als einen Jugendlichen vor Schwierigkeiten bewahrt hat.

Marco spricht von seiner Lieblingsautomarke wie von einer Geliebten. Doch gleichzeitig versichert er mir, dass jeglicher Markenchauvinismus sowohl ihm als auch den anderen Mitgliedern des Clubs völlig fremd ist. Sie wollen nicht versuchen, Fans anderer Marken mit allen Mitteln zu bekehren. „So etwas nennt man »Markenhass«. Bei uns gibt es so etwas nicht. Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden“, sagt er.


EIN FAIBLE FÜR HOCHWERTIGE AUTOMOBILE

Marco ist vielleicht ein extremes Beispiel, jedoch beileibe kein Einzelfall. Die Deutschen lieben Autos. Vor allem ihre eigenen.

Nach Angaben des Europäischen Automobilherstellerverbands ACEA waren 2018 in Deutschland über 47 Millionen PKW zugelassen. Das bedeutet, dass mehr als jeder zweite Deutsche ein Auto besitzt – Säuglinge und Greise mit eingerechnet! Auf tausend Einwohner kommen in Deutschland 569 PKW. Der EU-Durchschnitt liegt bei 531. Damit gehört Deutschland zu den am stärksten motorisierten Ländern Europas. Eine noch höhere Autodichte gibt es unter anderem in Italien und Luxemburg – und auch in Polen, wo auf 1000 Einwohner ganze 617 PKW kommen.

Untersuchungen zeigen, dass deutsche Fahrer einheimische Automarken bevorzugen. „Die Deutschen sind stolz auf ihre Automobilindustrie. Ausländische Marken spielen auf dem deutschen Markt keine große Rolle. Ich denke, das ist ein Ausdruck von Patriotismus. Die Deutschen haben einfach ein Faible für hochwertige Automobile“, sagt Dr. Thomas Wagner, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie.

Das wird auch sichtbar, als wir durch Nickern, einen Ortsteil am südlichen Stadtrand von Dresden, spazieren. Vor den Einfamilienhäusern stehen BMW Kombis. Große Familienautos mit modernem Design.

Hier lerne ich noch einen weiteren Deutschen kennen, der stolz auf seinen BMW ist. Wie es der Zufall will, heißt er auch Marco. Er ist Informatiker und besucht seine Kunden mit dem Auto. Seine Lebensgefährtin Susanne, die als Raumausstatterin arbeitet, fährt hingegen lieber einen Volvo. „Unsere Auftraggeber sind über ganz Dresden verstreut. Wir sind auf unsere Autos angewiesen“, argumentiert Susanne.

Dann erklären beide, dass der Preis für sie das wichtigste Kriterium beim Kauf eines neuen Autos ist. Ganz so weit geht ihr Markenpatriotismus also doch nicht. Und in den Urlaub fahren sie mit dem Zug oder mit dem Fernbus – je nachdem, welche Option günstiger ist.

Die jungen Deutschen wollen gesund und klimafreundlich leben. Für ihre Identität, für ihren Status in der Gruppe, ist ein Auto nicht so wichtig.

Andreas empfängt mich im Vorgarten seines Hauses in einem Vorort von Dresden. Er hat erst vor Kurzem Erde aus dem Gartencenter geholt – mit seinem alten, aber zuverlässigen Volkswagen, mit dem er auch nach Polen in den Urlaub fährt. Zur Arbeit fuhr er überwiegend mit dem Fahrrad. Andreas war früher Pfarrer der hiesigen evangelischen Gemeinde. Nach dem Fall der Mauer konnte er mit ansehen, wie sich immer mehr Gemeindemitglieder ein eigenes Auto kauften.

„Ein Auto ist hier ein Statussymbol, aber auch eine Notwendigkeit. Mein Sohn, der im Nachbardorf lebt, hat drei Autos. Eines für sich, eines für seine Frau und dazu noch einen Mercedes Sprinter, mit dem sie gemeinsam in den Urlaub fahren. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es auf dem Land praktisch nicht“, sagt Andreas. „Meine Tochter hingegen, die in Berlin lebt, hat gar kein Auto. Ihre Familie fährt mit der U-Bahn, der Straßenbahn oder dem Bus.“


EHER EINE NOTWENDIGKEIT ALS EIN LUXUS

Für die Bewohner der zehn größten deutschen Städte sind öffentliche Verkehrsmittel die erste Wahl. Städte wie Berlin, München, Dortmund und Hamburg verfügen über sehr gut ausgebaute öffentliche Verkehrsnetze.

Vor allem junge Deutsche verzichten zunehmend auf ein eigenes Auto. Noch vor 20 Jahren lag das Durchschnittsalter für den Führerscheinerwerb bei 18 Jahren. Heute machen die meisten Deutschen ihren Führerschein später oder überhaupt nicht.

„Das macht sich auch in der Region Dresden bemerkbar. Die Studenten der hiesigen Universität kaufen sich lieber ein günstiges Monatsticket und fahren mit der S-Bahn oder der Straßenbahn. Sie benötigen kein Auto. Ein weiter Faktor ist das zunehmende Umweltbewusstsein. Die jungen Deutschen wollen gesund und klimafreundlich leben. Für ihre Identität, für ihren Status in der Gruppe, ist ein Auto nicht so wichtig. Ihre Eltern legen hingegen weniger Wert auf Klimaschutz“, erklärt Thomas Wagner.

Die Deutschen bilden also, wenn es um die Beziehung zum Auto geht, keine einheitliche Gruppe.

Je weiter vom Stadtzentrum entfernt, desto mehr verändert sich die Situation. Bereits in städtischen Randgebieten ist ein Auto sehr wichtig. In weniger urbanisierten Regionen, in Kleinstädten und Dörfern, besitzt fast jeder ein Auto. Es ist eher eine Notwendigkeit als ein Luxus.

In deutschen Großstädten ist das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel sehr gut ausgebaut. Hier auf dem Foto: Berlin | Foto: pexels.com

Der 22-jährige Vincent aus Nickern wird dank der Unterstützung seiner Eltern schon bald mit einem gebrauchten Audi in die Berufsschule fahren. „Dadurch spare ich eine Stunde in jede Richtung“, sagt er. Bisher fährt er mit der Bahn an das andere Ende des Ballungsraums – nicht aus Sorge um die Umwelt, sondern weil es nicht anders geht. Ein eigenes Auto konnte er sich bisher, ebenso wie die meisten seiner Bekannten, nicht leisten. Sein Audi soll ihm in erster Linie helfen, Zeit zu sparen. Ganze zwei Stunden pro Tag.


NATÜRLICH HALTEN ALLE VOR DEM ZEBRASTREIFEN AN

Vincent wird also schon bald mit seinem gebrauchten Audi über die deutschen Straßen gleiten – dieselben Straßen, auf denen Peter eine Zeit lang kaum zu fahren wagte. Das war in den 90er-Jahren, unmittelbar nach dem Fall der Mauer. Die alten Gesetze galten nicht mehr, und die neuen waren noch nicht in Kraft getreten. Niemand wusste genau, was er tun sollte – auch nicht im Straßenverkehr.

Zudem tauchten auf den Dresdener Straßen immer mehr BMW, Audi und Mercedes auf, die allesamt über 100 PS unter der Haube hatten. Gegen solche Boliden waren die DDR-Bürger mit ihren alten 30-PS-Wartburg ohne jede Chance.

„Das war ein komplettes Chaos“, erinnert sich Peter.

Das Unglück wollte es, dass Peter gerade zu jener Zeit Taxifahrer wurde. Eher aus Notwendigkeit als aus Überzeugung. Zuvor hatte er als Elektromonteur gearbeitet, aber mit dem Fall der Mauer kollabierte auch die DDR-Industrie, und Peter verlor seinen Job. Also investierte er in ein Auto. Selbstverständlich in ein deutsches.

Das Chaos auf den Straßen ging schon bald vorüber. Heute fährt es sich in Dresden ganz wunderbar, sagt Peter. Die größten Draufgänger fahren zehn Stundenkilometer schneller als die zulässige Höchstgeschwindigkeit, also innerorts 60 und auf den Autobahnen 140 Stundenkilometer. Aber auch die sind eher selten. Die meisten Deutschen halten sich streng an die Straßenverkehrsordnung. Wer deutlich schneller fährt, gilt als verrückt. Halten die deutschen Fahrer auch vor dem Zebrastreifen an? Peter wundert sich geradezu über meine Frage. Natürlich tun sie das. Das ist doch selbstverständlich!

Bermer, ein Freund von Peter, bestätigt, dass die Dresdener Autofahrer sehr besonnen fahren. Mit einer Einschränkung: „Die Pendler aus den Vororten verstopfen die Straßen“, sagt er. Viel schlimmer geht es seiner Ansicht nach auf den Autobahnen zu, insbesondere auf der A4 in Richtung Polen. „Dort passieren ständig Unfälle. Daran sind die polnischen Fahrer schuld“, sagt Bermer.

Vor der Wende hatte Bermer als Mechaniker bei der Deutschen Reichsbahn gearbeitet. Nach der Wiedervereinigung hatte ihn sein Chef vor die Wahl gestellt: Entweder du ziehst in den Westen, oder du wechselst den Beruf. Bermer zog es vor, in Dresden zu bleiben. Und er hat es bis heute nicht bereut. Die alten Bundesländer sind für Autofahrer ein Alptraum. „Dresden ist zum Glück nicht ganz so groß. Aber in München, Stuttgart und Hamburg herrscht ein ständiges Verkehrschaos“, erklärt er. Wie er die deutschen Autofahrer beschreiben würde? „Sie fahren besonnen. Besonnenheit ist das Wichtigste auf der Straße.“


AGGRESSIONSTHERAPIE

Seine Intuition trügt den ehemaligen Taxifahrer nicht. Das zeigen die Statistiken.

„80 Prozent der deutschen Autofahrer sind überhaupt nicht in Flensburg registriert. Sie haben noch nie ein Verkehrsvergehen begangen. Von den übrigen 20 Prozent sind fast alle nur einmal auffällig geworden. Weniger als ein Prozent hat mehr als ein Verkehrsvergehen begangen. Und nur einer von 10 000 Fahrern sammelt so viele Punkte, dass er den Führerschein verliert“, erklärt Thomas Wagner.

Wie erklärt sich diese Ordnungsliebe? Der Verkehrspsychologe nimmt an, dass es eine Kombination aus mehreren Faktoren ist. Der erste Faktor ist die Fahrausbildung. Die Führerscheinprüfung ist nicht einfach, und auch nach dem Erhalt des Führerscheins stehen Fahranfänger zwei Jahre lang unter besonders strenger Beobachtung. Begehen sie in dieser Zeit einen schwerwiegenden Verstoß, müssen sie zu einem Aufbauseminar antreten. Bei einem weiteren schwerwiegenden Verstoß wird ihnen eine verkehrspsychologische Beratung nahegelegt, und die Probezeit wird auf vier Jahre verlängert. Nach dem dritten schwerwiegenden Verstoß wird dem Fahranfänger der Führerschein wieder entzogen, und er muss eine Therapie absolvieren, die ihm dabei helfen soll, die Risiken im Straßenverkehr besser einzuschätzen.

Außerdem wird bei jedem Führerscheinentzug eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet. Besonders aggressive Fahrer müssen in therapeutische Behandlung. Wer seine Emotionen nicht in den Griff bekommt, hat auf deutschen Straßen nichts zu suchen.
 
80 Prozent der Autos, die für illegale Straßenrennen genutzt werden, werden per Internet gemietet. Nicht ohne Grund.

Über die Hälfte aller in Deutschland begangenen Verkehrsverstöße betreffen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Ein weiteres Viertel sind Rotlichtverstöße. Deutsche Verkehrssünder überschreiten die zulässige Höchstgeschwindigkeit in der Regel um maximal 25 Stundenkilometer. Nur in wenigen Fällen werden höhere Geschwindigkeiten gemessen.

Die meisten Verkehrsvergehen werden auf dem Weg zur Arbeit begangen. „Wir beobachten einen Anstieg der Geschwindigkeit an Werktagen um 12.00 Uhr mittags. Das sind Mütter, die sich beeilen, um ihre Kinder rechtzeitig von der Schule abzuholen“, erklärt Thomas Wagner. Der Anteil an Frauen unter den Verkehrssündern beträgt zwar nur 15 Prozent, nimmt jedoch ständig zu.

Die deutschen Autofahrer beschweren sich weder über die strengen Verkehrsregeln noch über die Geschwindigkeitskontrollen. Sogar Liebhaber schneller Autos, wie Marco und die Mitglieder seines BMW-Clubs, halten sich an die Verkehrsregeln. „Klar, manchmal wollen wir schon austesten, wer das schnellere Auto hat. Dann fahren wir eben auf die Autobahn und überholen einander zwei oder drei Minuten lang. Aber wir veranstalten keine illegalen Straßenrennen und rasen auch nicht durch die Stadt. Die Sicherheit steht im Vordergrund“, sagt er.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es in Deutschland keine Verkehrsprobleme gibt. Es gibt sie, und sie sind durchaus ernst. Es sind lediglich ganz andere als in Polen.


ILLEGALE STRASSENRENNEN UND AUTOBAHNBLOCKADEN

Ein 26-jähriger Audi- und ein 24-jähriger Mercedes-Fahrer rasten mit 170 Stundenkilometern durch die Stadt. Sie überfuhren elf Kreuzungen, alle bei rot, und bremsten auch nicht vor einem heranfahrenden Jeep, der nach dem Aufprall 150 Meter durch die Luft geschleudert wurde. Der 69-jährige Fahrer des Jeeps kam ums Leben. Die beiden 24- und 26-jährigen Raser wurden ins Krankenhaus eingeliefert. Sie überlebten und landeten auf der Anklagebank. So endete 2016 ein illegales Straßenrennen im Berliner Stadtteil Charlottenburg.

Seit dieser Zeit nehmen illegale Straßenrennen immer mehr zu. 2018 registrierte die Berliner Polizei jeden Monat etwa 18 Straßenrennen. Wie der Tagesspiegel schrieb, handelte es sich bei den Tätern überwiegend um Deutsche zwischen 20 und 30 mit türkischen, arabischen und russischen Wurzeln.

„Wir beobachten ein neues Phänomen: 80 Prozent der Autos, die für illegale Straßenrennen genutzt werden, werden per Internet gemietet. Das geschieht nicht ohne Grund. Seit einigen Jahren gibt es Firmen, die praktisch jedem Fahrer ein Auto vermieten. Sie fragen nicht nach dem Alter, sie prüfen nicht, wie lange der Fahrer schon seinen Führerschein hat oder ob er in Flensburg registriert ist. Die Teilnehmer an illegalen Straßenrennen mieten sich günstig ein Auto und stellen es hinterher einfach irgendwo ab. Die Polizei hat bereits eine spezielle Einsatzgruppe ins Leben gerufen, um diesem Phänomen entgegenzuwirken“, erklärt Thomas Wagner.

Ein weiteres Problem sind die Mitglieder der Reichsbürgerbewegung, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als legitimer und souveräner Staat bestreiten. „Ihrer Ansicht nach besteht das Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1937 weiterhin fort. Die Bundesregierung ist für sie lediglich eine von den alliierten Siegermächten gegründete GmbH, und die von ihr getroffenen Entscheidungen haben keine rechtliche Grundlage“, schrieb Bartosz Wieliński in der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Die Bewegung hat schätzungsweise 20 000 bis 30 000 Anhänger, die die geltenden Gesetze und Verordnungen nicht beachten – auch die Straßenverkehrsordnung. Sie fahren, wie sie wollen und wohin sie wollen. Strafzettel ignorieren sie einfach.

Autorennen, Blockieren der Fahrbahn und Missachtung der Verkehrsregeln: mit diesen Problemen muss sich die deutsche Autobahnpolizei auseinandersetzen | Foto: pixabay.com

Ein weiteres zeittypisches Ärgernis auf deutschen Straßen sind Schaulustige, die Krankenwagen und Polizeiautos blockieren. „Sie steigen aus ihren Autos und drängen sich um die Unfallstelle, um ein möglichst gutes Foto zu machen. Es ist ihnen egal, dass sie die Arbeit der Einsatzkräfte behindern. Hauptsache, sie haben hinterher ein gutes Foto für die sozialen Medien“, erklärt Thomas Wagner.

Ein weiteres Problem sind Hochzeitskorsos, die den kompletten Verkehr, manchmal sogar auf Autobahnen, zum Erliegen bringen. Das sieht dann etwa so aus: Die Fahrer blockieren die Fahrstreifen, steigen aus ihren Wagen, singen und tanzen oder feuern mit Pistolen in die Luft. Die Autobahn ist in dieser Zeit komplett blockiert. Vor alle junge Paare mit türkischen Wurzeln pflegen ihre Hochzeit auf diese Weise zu feiern. „Das ist ein weiteres neues Phänomen, das in den vergangenen Jahren zugenommen hat“, erklärt Thomas Wagner.

Die deutschen Verkehrspolizisten können sich also über zu wenig Arbeit nicht beschweren.


EINE ANDERE WELT

In den vergangenen 20 Jahren hat die Anzahl der Automobile auf deutschen Straßen ständig zugenommen. Die jungen Leute in den Großstädten stellen nach wie vor einen zu kleinen Anteil der Bevölkerung dar, um diesem Trend entgegenzuwirken. Die deutschen Straßen sind regelmäßig verstopft, und es ist nicht zu erwarten, dass die Anzahl der Automobile in den kommenden Jahren abnehmen wird. „Die Deutschen sind daran gewöhnt, Dinge zu besitzen. Das Carsharing hat sich in Deutschland bisher nicht durchgesetzt“, sagt Thomas Wagner.

Die Automobilindustrie muss sich also keine Sorgen um ihre Zukunft machen. Schon gar nicht, wenn man hört, mit wie viel Liebe deutsche Fahrer über ihre Autos sprechen. Zum Beispiel Marco über seinen 13. BMW: „Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit sind wichtig, aber es geht vor allem um das Fahrgefühl. Wenn ich im Auto sitze, fühle ich mich wie in einer anderen Welt. Ich setze mich hinters Steuer und bin glücklich. Es ist, als würde ich nach Hause kommen.“

Der Autor bedankt sich bei Karolina Szulejewska für ihre Hilfe bei der Zusammenstellung des Materials.
  

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Autor: Bartosz Józefiak ist Absolvent der Polnischen Reportageschule. Er schreibt für die Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ und deren Magazin „Duży Format“, die Zeitschrift „Tygodnik Powszechny“ und das Internetportal Weekend.Gazeta.pl. Er war zweimal für den Teresa-Torańska-Journalistenpreis in der Kategorie „Das Beste im Internet“ nominiert. Unlängst erschien beim Czarne-Verlag das von ihm gemeinsam mit Wojciech Górecki geschriebene Buch „Łódź. Miasto po przejściach“.
Übersetzung: Heinz Rosenau
Copyright: Goethe-Institut Polen

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